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27. 05. 2012 Görkem Oguz im Interview
Er prägt den E-Hockey-Sport wie kaum ein anderer und schaffte es, mit seinem AC 92 Weinheim (Torpedo Ladenburg) alle wichtigen Titel zu gewinnen: Görkem "Capitano" Oguz startete seine Karriere als Jugendlicher bei den Ballbusters Würzburg und schaffte 1997 den Sprung zu Torpedo Ladenburg, wo sich der gebürtige Türke schnell etablierte und heute als Spielführer die Mannschaft anführt. Seinen größten Titel feierte er 2010, als der heute 33-Jährige mit dem Deutschen Nationalteam Weltmeister wurde. Nun will der Kapitän der Nationalmannschaft, der es nie scheut Verantwortung zu übernehmen, auch die Europameisterschaft gewinnen. Für ballbusters.de gab Oguz jetzt ein Exclusiv-Interview, in dem er über Teamgeist, Motivationsprobleme und die nahende Europameisterschaftschaft spricht.

Oguz erhält den Pokal des Weltmeisters. Im Hintergrund (von links) Ramazan Sahin und Andy Vogt.

BALLBUSTERS.DE: Herr Oguz, Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Meisterschaft der Saison 2011/12! Einmal mehr konnten Sie mit dem AC 92 Weinheim den Titel verteidigen und mussten nur zwei Punktverluste verzeichnen. Sind sie mit der Mannschafts- und ihrer persönlichen Leistung zufrieden?
GÖRKEM OGUZ: Vielen Dank, der Zusammenhalt und die mannschaftliche Geschlossenheit in unserem Team ist vorbildlich und sucht seinesgleichen, natürlich gehen wir in jedes Spiel um als Sieger den Platz zu verlassen. Daher fühlen sich für mich persönlich schon Unentschieden fast wie Niederlagen an, da ich in erster Linie nicht zuletzt an mich den höchstmöglichen Anspruch stelle, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Ich bin überzeugt davon, dass mein Team genauso denkt. Ich glaube schon, dass ich mit meiner Leistung zufrieden sein kann, da ich meinen persönlichen Rekord als Torschütze in einer Saison mit 61 Toren toppen konnte. Mein Freund und Sturmpartner Paul Emmering schoss als Einziger mehr Tore als ich, und wenn ich es einem gönne, dann natürlich jemandem aus unserem Team (lacht). Für mich ist neben Tore zu schießen fast noch wichtiger, jemanden mit einem "no look" bzw. "tödlichen" Pass so in Szene zu setzen, dass er den Ball "nur" noch einnetzen braucht. Leider vermisse ich, dass es in der Bundesliga keine Topscorerliste gibt, in der auch die Assists gezählt werden, ich glaube, dann würde die Liste nämlich möglicherweise anders aussehen (lacht).

BALLBUSTERS.DE: Sie betrachten also das Teamplay als noch wichtiger als die Fähigkeiten eines Einzelnen?
G. OGUZ: Im Grunde genommen schon, denn wir spielen einen Mannschaftssport und keinen Einzelsport. Jeder Spieler und seine Position ist ein wichtiger Baustein, der zum Erfolg oder Misserfolg führt, letztendlich gewinnt und verliert man als Team. Natürlich ist es wie in vielen Teamsportarten auch, dass "besondere" Spieler auch hinaus stechen, positiv auffallen und auch unter Umständen mal das Spiel, wenn es sein muss, lenken und entscheiden können. Ich halte eine ausgewogene Mischung aus Individualisten und absoluten Teamplayern für sehr gut.

BALLBUSTERS.DE: Wenn Sie an die frühen Jahre ihrer Karriere zurück denken. Damals haben Sie von 1992 bis 1996 bei den Ballbusters Würzburg unter dem Trainer Wolfgang Schug, einem der Wegbereiter des E-Hockeysports in Deutschland, gespielt. Wie sehr hat Sie die damalige Zeit geprägt? Und wie stark haben Sie nach dem Wechsel zu Torpedo Ladenburg (heute AC 92 Weinheim) im Jahr 1997 die Unterschiede zwischen der Spielphilosophie von Schug und der damaligen Torpedo-Mentalität empfunden?
G. OGUZ: Ich denke immer noch gerne an meine frühere Anfangszeit zurück. Ich bin Herrn Schug aber auch Herrn Simon, meinem sehr guten langjährigen Freund und ehemaligen Teamkameraden, dankbar, mich an diese faszinierende Sportart herangeführt zu haben. Es war damals schon ein Quantensprung für mich. Es ist kaum vergleichbar. Denn als ich meine E-Hockeylaufbahn begann war ich erst 13/14 Jahre jung, zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, dass mehr der Spaßfaktor im Vordergrund stand, darüber hinaus wurde fast alles über die Sportlehrer und Assistenten (früher Erzieher) bestimmt und vorgegeben. Erst mit dem schulischen und sportlichen Wechsel habe ich immer mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung kennen lernen dürfen. Der Torpedovirus ist etwas Einmaliges, ich bin stolz ein Teil dieses Teams zu sein, ohne dabei meine Wurzeln in Würzburg zu vergessen.

Bereits 1992 bei der Deutschen Meisterschaft 1992 in Würzburg hatten die gegnerischen Spieler meist das Nachsehen.

BALLBUSTERS.DE: Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Torpedo eine der besten Vereinsmannschaften weltweit ist. Doch das hohe Niveau zu halten erfordert bestimmt auch viel Zeit und Kraft von Ihnen, Herr Oguz. Derzeit haben Sie einen vollen Terminkalender. Zu den vier Spieltagen kam in den vergangenen Monaten noch der straffe Trainingsplan des Nationalteams. Zudem steht die EM in Finnland vor der Tür. Wie schaffen Sie es dieser mehrfachen Belastung Stand zu halten?
G. OGUZ: Eine sehr gute Frage, wie ich finde, denn für "Außenstehende" ist dieses Pensum und diese Intensität kaum nachzuvollziehen. Ich denke, man muss schon mit dem E-Hockeyvirus infiziert sein, um dieses straffe Mammutprogramm möglichst auch noch motiviert durch zuziehen. Bei uns im Team ist die Frequenz besonders hoch, denn wir spielen nicht nur im Bundesligabetrieb (4 Spieltage) sondern wie sie erwähnt haben, finden vor einer WM oder EM mindestens 6 Lehrgänge statt, daneben sind wir als Bundesligamannschaft in der Regel an 4 - 5 internationalen Hockeyturnieren im In- und Ausland aktiv.

BALLBUSTERS.DE: Und wie steht es dabei mit Ihrer Motivation? Sind Sie nach sechs gewonnenen Deutschen Meisterschaften und dem 1. Platz der Weltmeisterschaft in Italien noch siegeshungrig?
G. OGUZ: Vor kurzem konnten wir unseren 6. Deutschen Meistertitel holen. Fast hätten wir auch in der letzten Saison 2010/11 unseren Titel verteidigen können, obwohl wir an einem kompletten Spieltag krankheitsbedingt nicht antreten konnten und somit die Punkte verloren, am Ende fehlte uns trotz alledem nur ein einziges Pünktchen. Um ehrlich zu sein, fehlt es mir mit zunehmendem Alter und Dazugehörigkeit phasenweise an Motivation, denn ich habe alles, was man im E-Hockeysport erreichen kann, mit meinen Teams auf nationaler und insbesondere internationaler Ebene bereits gewonnen. Im Fußball würde man mich, glaube ich, bereits zu den erfahrenen Routiniers zählen (lacht). Ich habe mich bereit erklärt, als Kapitän der Nationalmannschaft das Team erneut auf einer Europameisterschaft zu begleiten, denn ich sehe meine Aufgaben und Verantwortung als Spielführer nicht nur auf dem Platz, sondern mindestens genauso sehr neben dem Platz. Wie Sie wissen, hatten wir nach der gewonnen WM 2010 in Italien einen gewissen Umbruch zu verzeichnen, einige arrivierte Spieler haben ihren Rücktritt erklärt, dafür sind jedoch viel versprechende, neue, junge und hungrige Talente dazu gestoßen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, diese jungen Menschen bei diesem Event nochmals zu begleiten und Ihnen bestmöglich zur Seite zu stehen. Ich gehe jedes Turnier auf diesem Level an, um es zu gewinnen, das steht für mich außer Frage. Natürlich bin ich realistisch und erfahren genug, unsere Chancen einzuschätzen. Wir werden ähnlich an das Turnier gehen wie bei der WM, mit der Einstellung jedes Spiel gewinnen zu wollen, aber genauso auch von Spiel zu Spiel zu denken, denn nach der gewonnen WM sind wir nun zwangsläufig für die anderen Nationen die "Gejagten".

Bei der WM 2010 schoss Oguz (am Ball, links im Bild Teamkamerade Stefan Utz) insgesamt 7 Tore.

BALLBUSTERS.DE: Wie sie schon angesprochen haben, sind im Vergleich zum National-Kader von 2010 viele neue Köpfe im deutschen Team. Beispielsweise zogen sich Ihr ehemaliger Vereinskollege Ramazan Sahin oder der Münchener Roland Utz zurück, Manuela Rahlf wurde nur als Nachrück-Spielerin nominiert. Damit geht zwangsläufig ein Verlust an Erfahrung im Team einher. Denken Sie, die Mannschaft kann diesen Erfahrungsverlust kompensieren und wieder das hohe Niveau von 2010 erreichen?
G. OGUZ: Wir haben in der Tat eine gewisse Revision im Nationalteam zu verzeichnen. Ich möchte anmerken, dass auch die Spieler die zur Zeit auf Abruf stehen, mindestens genauso wichtig sind, denn bei einem so intensiven Turnier können immer Ausfälle vorkommen, in diesen Fällen ist es sehr wichtig und unabdingbar, erfahrene und gute Spieler/Innen in der Hinterhand zu haben. Ich darf darüber hinaus anmerken, dass uns unsere Nummer 1, Markus Koch, leider verlassen hat. Selbstverständlich haben wir durch die genannten Rücktritte einen gewissen Substanzverlust an Erfahrung zu verzeichnen, aber ich sehe es auch als eine Chance an, einen Umbruch einzuläuten. Der Kader ist jetzt etwas in der Breite ausgeglichen, da dieser aus erfahrenen sowie neuen Talenten besteht. Es ist schwierig und auch nicht meine Art, eine Prognose vor den Wettkämpfen zu erstellen. Wir werden als Team, und dazu zähle ich auch unseren Trainer und Betreuerstab, wieder alles geben, um das Bestmögliche bei der Europameisterschaft zu erreichen.

BALLBUSTERS.DE: Bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren konnte das deutsche Team die Niederlande im Finale mit 7 : 6 knapp nieder ringen. Die Niederlande ist vermutlich auch bei der kommenden Europameisterschaft ein Titelfavorit. Welche Mannschaften sehen sie noch als Titelaspirant? Und welche Teams sollte man auf keinen Fall unterschätzen?
G. OGUZ: Selbstverständlich sind die Niederlande weiterhin der haushohe Favorit, das ist denke ich jedem Kenner klar, aber wir haben als einzige Nation bewiesen, dass auch eine E-Hockeymacht wie die Niederländer zu schlagen ist. Somit haben wir etwas bisher Einmaliges geleistet und vollbracht. Mir ist es wichtig, dass dies jedem E-Hockeyteam in Deutschland bewusst ist, was wir als Team Deutschland geschafft haben. Selbstverständlich zählt Italien als eine starke E-Hockeynation zu dem Favoritenkreis, ebenso auch der Gastgeber aus Finnland. Unterschätzen sollte man generell keine Nation, jeder hat den Respekt und die Anerkennung verdient, da man es geschafft hat, an so einem großen Sportevent teizunehmen.

BALLBUSTERS.DE: Herr Oguz, vervollständigen Sie doch zu guter Letzt bitte folgenden Satz: "Ein echter E-Hockey-Star ist ..."
G. OGUZ: So wie ich, nein, das war natürlich ein Scherz (lacht). Um ein Star zu sein, muss man über dem Sternchen/Starlett-Status hinaus kommen. Das erfordert meiner Meinung nach, in erster Linie Talent, Ausdauer, Spaß, sehr viel Ehrgeiz, Templayerfähigkeiten und Führungsqualitäten. Wenn man diesen Weg gehen möchte, muss man sich dem bewusst sein, dass Vieles bzw. Einiges an Privatem zurück bleibt und teilweise auch auf der Strecke bleibt. Kurz gesagt, man muss Prioritäten setzen und ein Bewusstsein darüber entwickeln, wie wichtig E-Hockey für jemanden ist und ob man bereit ist, dafür zu opfern und Dinge aufzugeben.

BALLBUSTERS.DE: Vielen lieben Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben. Für die kommende EM wünschen wir Ihnen sowie dem Nationalteam den größtmöglichen Erfolg!
G. OGUZ: Sehr gerne, ich möchte mich ebenso für das angenehme und sehr gut formulierte und ausgearbeitete Interview bedanken.
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