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05. 05. 2009 Stephan Kobelt im Interview
„In ein bis zwei Jahren werden sie das Tempo wahrscheinlich als zu gering empfinden und für 20 km/h plädieren.“ Deutliche Worte, die Stephan Kobelt bezüglich der Geschwindigkeitsregelung findet. Doch nicht die einzigen. Im Exklusiv-Interview für www.ballbusters.de bewertet der Görlitzer, der in der Bundesliga für die Nording Bulls auf Torejagd geht, unter anderem die internationale Entwicklung des E-Hockeys und die gestiegene Härte im Spiel.

BALLBUSTERS.DE: Herr Kobelt, vervollständigen Sie doch zu Beginn bitte folgenden Satz: „Ein echter E-Hockey-Star ...“
STEPHAN KOBELT: ... ist nur ein etwas größerer Piepmatz.

BALLBUSTERS.DE: Sehr schöner Vergleich. Sie sind nun schon seit fünfzehn Jahren im E-Hockey aktiv. Wie haben Sie diesen Sport kennen gelernt und was ist es, das Sie so daran fasziniert?
STEPHAN KOBELT: Als sich die Nording Bulls im Jahre 1992 gründeten, spielte ich noch aktiv Sitzball. Beide Sportgruppen hielten zur selben Zeit ihr wöchentliches Training in der Sporthalle der Körperbehindertenschule Neubrandenburg ab. So nahm ich den E-Hockey-Sport derzeit nur am Rande war. Zwei Jahre später bekam ich meinen ersten Elektrorollstuhl. Kurze Zeit später wechselte ich auf Anregung meiner damaligen Klassenlehrerin, welche ebenso die Nording Bulls trainierte, vom Sitzball zum E-Hockey.
(überlegt) Eine spezielle Faszination übt der E-Hockey-Sport auf mich nicht aus. Ich mag die Kombination aus Spiel, Teamgeist, etwas von der Welt zu sehen und Erfahrungsaustausch. Ganz nüchtern betrachtet ist E-Hockey für mich die einzige Möglichkeit, um sportlich aktiv zu bleiben.

BALLBUSTERS.DE: Gibt es auch etwas, das Ihnen weniger gefällt und das man ändern sollte?
STEPHAN KOBELT: Aktuell verfolge ich den Vorschlag zur Anpassung der Höchstgeschwindigkeit auf 15 km/h sehr zwiespältig. Fakt ist, dass die Anpassung doch nur kommen wird, weil es europaweit so praktiziert wird. Aus rein sportlicher Sicht bringt sie zu wenig. Zunächst sind recht wenige Spieler überhaupt in Besitz eines E-Rollstuhls mit 15 km/h. Dies wird sich meines Erachtens nach auch so schnell nicht ändern. Weiterhin bleibt das Problem bestehen, dass einige Spieler auch diese Höchstgrenze überschreiten werden, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Anderseits machen 15 km/h doch nur auf einem Großfeld Sinn. Welcher Verein hat zum Beispiel in letzter Zeit einen Bundesligaspieltag in einer Halle ausgerichtet, in der zwei Großfelder möglich wären? Da ist mir persönlich niemand bekannt. Die Quintessenz ist somit die Suche nach größeren Hallen und infolge dessen eine weitere Kostensteigerung.

BALLBUSTERS.DE: Wie könnte man diese Punkte denn ändern?
STEPHAN KOBELT: Die Anpassung wird sich über kurz oder lang nicht verhindern lassen, sofern eine europäische Ausrichtung das alleinige Ziel bleibt.

BALLBUSTERS.DE: Ist es denn sinnvoll, sich so stark nach dem europäischen System zu richten? Nur weil Italien und Holland eine 15-km/h-Regel durchziehen, heißt es ja noch nicht, dass dies die beste Lösung ist. Die zahlreichen Unfälle und Verletzungen sind nur zwei der schlimmen Folgen...
STEPHAN KOBELT: Insgemein wäre es gewiss sehr wünschenswert, wenn sich alle Länder auf ein einheitliches System einigen könnten - wobei dieses nur bei Wettbewerben auf europäischer Bühne Bestand haben sollte. Kleinere Modifikationen, wie zum Beispiel die Festlegung der Höchstgeschwindigkeit, müssen für den nationalen Ligabetrieb variabel bleiben.
Italien und Holland sind nun einmal zwei führende Nationen im E-Hockey-Sport – die machen ihr Ding. In ein bis zwei Jahren werden sie das Tempo wahrscheinlich als zu gering empfinden und für 20 km/h plädieren.

BALLBUSTERS.DE: In Ihrer langen Karriere haben Sie schon viel erlebt; von den ersten internationalen Turnieren bis hin zur Einführung der zweigleisigen Bundesliga. Welcher Moment oder welches Ereignis ist Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben?
STEPHAN KOBELT: Wenn ich an die Anfangszeit zurückdenke, sind mir insbesondere die packenden Spiele gegen die Rocky Rolling Wheels Berlin, Munich Animals II und Hot Dogs Coburg in Erinnerung geblieben. Besondere Ereignisse waren gleichermaßen der Aufstieg in die 1. ERH-Bundesliga oder der erste Sieg gegen München im Jahr 2008. Jedes Turnier – ob groß, ob klein – hatte seinen speziellen Reiz. Daneben ist es immer wieder interessant, andere Städte bzw. Länder zu bereisen.
Außerhalb des Hockeyfeldes hat es mich sehr gefreut, dass mein Logo-Entwurf für die ERH-Bundesliga übernommen wurde und mittlerweile bei allen Spieltagen präsent ist.

BALLBUSTERS.DE: Natürlich gibt es in jeder Karriere auch Rückschläge und Niederlagen. Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
STEPHAN KOBELT: Niederlagen empfinde ich als nicht weiter tragisch. Sie gehören zum Sport dazu, genauso wie Siege. Da ärgert mich viel mehr grobes Spiel, welches zu Defekten am E-Rollstuhl führt.

BALLBUSTERS.DE: Um diesem groben Spiel Einhalt zu gebieten, wünschen sich einige E-Hockey-Sportler schon seit längerem ein härteres Reglement. Andere sehen die Entwicklung der Elektrorollstühle mit schrägen Rädern und Rammschutz als Grund für die unvorsichtigere und dadurch rauere und gefährlichere Spielweise. Wie könnte man Ihrer Meinung nach den Sport fairer machen?
STEPHAN KOBELT: Das Reglement ist auf jeden Fall ein entscheidender Faktor in Sachen Spielhärte. Bestes Beispiel ist hier wohl der Eishockeysport: Bei den Männern ist der Body-Check erlaubt, im Fraueneishockey hingegen grundsätzlich verboten. Die Entwicklung der Rollstühle ist in der Tat ein weiterer Faktor für die Spielhärte. Wer nicht im Besitz eines Rammschutzes ist, wird niemals voll draufhalten. Auch hier läßt sich der Eishockeysport als Beispiel heranziehen: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Sport ohne Helm usw. ausgeübt. Folglich war von übermäßiger Härte keine Spur. Erst mit Einführung der Helme oder dem Vollschutz wurde das Spiel zunehmend grober.
Ich denke, dass das E-Hockey-Regelwerk genügend Optionen für die Bestrafung von übertriebener Härte bietet. Letztendlich ist der ausschlaggebende Faktor aber immer der Spieler selbst und die Spielkultur der jeweiligen Mannschaft.

BALLBUSTERS.DE: Welches Ziel haben Sie sich denn kurz- und langfristig gesetzt?
STEPHAN KOBELT: Wir, mein Vater und ich, bemühen uns seit Jahren eine E-Hockey-Mannschaft im Freistaat Sachsen aufzubauen. Außer einer Kooperation mit dem Rollstuhlhockeyteam EUREHA Flames Görlitz und einer Schulmannschaft aus Dresden, konnten wir leider noch nichts erreichen – schade, aber wir bleiben am Ball.
Kurzfristig wollen wir als Mannschaft auf jeden Fall den 3. Platz in der 1. ERH-Bundesliga halten und anschließend einen guten Euro-Cup abliefern – organisatorisch wie spielerisch.

BALLBUSTERS.DE: Wo sehen Sie Ihre Zukunft?
STEPHAN KOBELT: Mal schauen wie lange die Armkraft noch ausreicht, um mit dem Handschläger zu spielen. Über kurz oder lang werde ich mich wohl mit dem Festschläger vertraut machen müssen. Das Jahr 2014 wäre ohne Frage ein erstrebenswertes Ziel – folglich wäre dies mein 20-jähriges E-Hockey-Jubiläum.

BALLBUSTERS.DE: Na dann wünschen wir Ihnen dafür viel Glück! Herzlichen Dank für das ausführliche Interview.
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